„Wie lange muss ich Deutsch lernen, bis ich perfekt Deutsch spreche?“, das ist eine Frage, die (nicht nur) mir häufig gestellt wird. Andere formulieren etwas vorsichtiger und fragen, „Kann man als (erwachsener) Ausländer perfekt Deutsch lernen?“
Wenn ich diese Frage höre, dann fällt mir immer sofort die Gegenfrage ein, was man eigentlich unter „perfekt“ verstehen soll, denn meiner Meinung nach gibt es keine absolute, sondern immer nur relative Perfektion. Das glaubt ihr nicht?
Dann solltet ihr mal mit jemand sprechen, der eurer Meinung nach eine Sache – das muss keine Fremdsprache sein – perfekt beherrscht. Ich vermute mal, dass es sehr schwer sein wird, jemand zu finden, der von sich behauptet, dass er etwas perfekt kann – abgesehen von ein paar Leuten, die zur Selbstüberschätzung neigen.
Im Gegenteil: Je besser jemand eine Sache beherrscht, desto selbstkritischer wird er oft, was seine Leistungen betrifft. Oder habt ihr z. B. schon mal einen Musiker getroffen, der von sich behauptet hat, dass er sein Instrument perfekt spielt.
Den Vergleich mit dem Erlernen eines Musikinstruments finde ich übrigens für das Sprachenlernen gar nicht so unpassend. Wenn man nämlich fragen würde, wie lange braucht man, bis man perfekt Klavier spielen kann, dann würde wahrscheinlich jeder sofort antworten, dass man dafür viele Jahre mit vielen Stunden täglicher Übung braucht und dann wahrscheinlich immer noch nicht ganz perfekt spielt.
Im Deutschunterricht werde ich aber gar nicht selten schon in der Mittelstufe gefragt, wann man denn endlich perfekt Deutsch spricht. Dann haben die Lerner über mehrer Monate insgesamt zwischen 400 und 600 Stunden Unterricht gehabt.
Die 10.000-Stunden-Regel
Glaubt ihr, dass es so viel leichter ist, eine Fremdsprache zu lernen als ein Musikinstrument? Ich glaube das nicht. Im Gegenteil: Ich denke, dass man, egal was man lernt, sehr lange braucht, um eine Sache wirklich gut zu beherrschen, egal ob das ein Instrument, eine Sportart, ein Wissensgebiet oder die deutsche Sprache ist. Ich glaube nämlich an die „10 000-Stunden-Regel“. Ihr kennt diese Regel nicht?
Die 10.000-Stunden-Regel stammt ursprünglich aus dem Buch „Der Musik-Instinkt: Die Wissenschaft einer menschlichen Leidenschaft„ des amerikanische Neurowissenschaftlers Daniel Levitin.
Der hatte durch das Studium von Musikerbiographien festgestellt, dass die besten Studenten des Jahrgangs schon seit frühester Kindheit regelmäßig mehr Stunden mit dem Üben verbracht hatten als ihre mittelmäßigen Kommilitonen und daraus den einfachen Schluss gezogen, dass man sich mit einer Sache mindestens 10.000 Stunden beschäftigen muss, bevor man über die nötigen Kenntnisse verfügt, um in seinem Bereich zur Spitze zu gehören.
Man kann das auch einfach wie der berühmte Erfinder der Glühlampe Thomas Alva Edison formulieren: „Genie ist ein Prozent Inspiration und neunundneunzig Prozent Transpiration.„