Lektürehefte für Deutschlernende „Einfach Deutsch lesen“ – Interview mit der Autorin Angelika Bohn

Sprachenlernen ist ein großes Abenteuer. Das hat auch Angelika Bohn erlebt. Sie hat in verschiedenen Ländern gelebt und mehrere Fremdsprachen gelernt. Ihre absolute Lieblingssprache ist aber trotzdem Deutsch, ihre eigene Muttersprache, die sie seit über 20 Jahren im In- und Ausland unterrichtet.

Vor einigen Jahren startete sie das Buchprojekt „Einfach Deutsch lesen“, das Deutschlernende mit Deutschlektüren bei ihrem Lernprozess unterstützen will. Wie das genau funktionieren könnte, habe ich Angelika in folgendem Interview gefragt.

DL-Blog: Wie bist du auf die Idee gekommen, das „Einfach Deutsch lesen“-Projekt zu starten?

Angelika Bohn: Auf der Suche nach passenden Deutschlektüren fiel mir auf, dass die meisten davon Krimis waren und außerdem ziemlich kurz. Dadurch kam ich auf die Idee, längere Romane zu schreiben, in denen die Protagonisten und die Geschichten mehr Tiefe bekommen und auch die Zeit, sich zu entwickeln.

Außerdem sind meine Bücher speziell an Erwachsene gerichtet und nicht in Kindersprache geschrieben. Die Geschichten aus meiner Serie sind – abhängig vom Deutschniveau – zwischen 90 und 160 Seiten lang und keine Krimis. Trotzdem gibt es in allen Romanen ein Rätsel, ein Geheimnis, das die Protagonisten lösen müssen.

Übungen zu Grammatik und Vokabular zu den Romanen gibt es natürlich auch, aber nicht wie gewöhnlich im Buch, sondern kostenlos auf meiner Website. Das war mir wichtig, denn ich wollte der Geschichte viel Platz lassen. Und ich wollte, dass die Leser:innen nicht im Lesefluss gestört werden.

Nur bei der Serie „Einfach Deutsch lesen Minis“ gibt es Übungen direkt im Buch. Dabei handelt es sich aber nicht um einen Roman, sondern um kurze Geschichten, die nur leicht miteinander verbunden sind.  Inzwischen gibt es für alle Romane auch ein Audiobook.

DL-Blog: Warum ist Lesen so wichtig, wenn man eine Fremdsprache lernt?

Angelika Bohn: Die Vorteile vom Lesen liegen klar auf der Hand. Wer viel liest, hat einen größeren Wortschatz. Das gilt übrigens auch für Menschen, die in der eigenen Muttersprache lesen. Beim Lesen taucht man in die Fremdsprache ein und sieht Wörter im Kontext. Dabei beschäftigt man sich auch unterbewusst mit der Sprache. So können z.B. auch grammatische Strukturen gefestigt werden.

Das Lesen hat auch Vorteile gegenüber dem Hören von Podcasts oder dem Anschauen von Filmen (was zum Lernen einer Fremdsprache aber auch wichtig ist). Leser:innen können Wörter und Ausdrücke unterstreichen, sich Übersetzungen, Synonyme oder andere Wortgruppen wie Nomen, Verben oder Adjektive zu einem Wort aufschreiben. Das kann man sogar machen, wenn man die E-Book-Version liest. Dabei beschäftigen die Lernenden sich dann wieder aktiv mit der Sprache.

Ein Roman hat auch einen wichtigen Vorteil gegenüber dem Lesen von kurzen Artikeln: Beim Lesen eines Romans wird man emotional involviert, man möchte wissen, wie die Geschichte weitergeht und was mit den Protagonisten passiert. Positive Emotionen sind sehr hilfreich beim Erlernen einer neuen Fähigkeit, in diesem Fall der deutschen Sprache.

DL-Blog: Wie sollte jemand, der eine Fremdsprache lernt, lesen? Gibt es Techniken?

Angelika Bohn: Ich empfehle immer, ein Kapitel – oder auch das ganze Buch – vom Anfang bis zum Ende zu lesen, ohne zu viel ins Wörterbuch zu schauen. Sehr oft hilft der Kontext, die unbekannten Wörter zu verstehen. Wichtig ist, dass man in einen sogenannten Leseflow reinkommt und nicht bei jedem unbekannten Wort stehenbleibt.

Wörter und grammatische Strukturen kann man dann beim zweiten Lesen gerne analysieren. Aber eine Geschichte sollte man zuerst genießen. Man sollte die Figuren kennenlernen, sie lieben oder hassen, mit ihnen lachen und weinen. Das ist ja das Wunderbare an guten Geschichten in einer Fremdsprache: Man lernt, während man in eine andere Welt eintaucht und die Bekanntschaft von neuen Menschen macht.

DL-Blog: Wie bist du eigentlich Autorin geworden?

Angelika Bohn: Ich habe während meines Germanistik- und Anglistikstudiums und auch später Kurse zum kreativen Schreiben belegt. In einem zweiten Studium habe ich dann Journalismus studiert und für einige Zeit auch als Journalistin für eine Stadtzeitung gearbeitet.

Für das kreative Schreiben hat mir aber ein Schreibforum im Internet am meisten geholfen. Ich war dort sieben Jahre Mitglied und wir haben jeden Tag selbstgeschriebene Texte gepostet, analysiert, kritisiert und verbessert. Wir haben über das Handwerk des Schreibens gesprochen, z.B. über Figurenentwicklung, Perspektive und Struktur.

Kurz nach meinem Eintritt ins Forum habe ich meine erste Kurzgeschichte veröffentlicht und drei Jahre später mein erstes Buch im Goldmann-Verlag, in dem ich über meine Erfahrungen als Deutschlehrerin schreibe.

DL-Blog: Und danach kam das „Einfach Deutsch lesen“-Projekt. Aber du hast nicht nur Romane für Deutschlernende geschrieben.

Angelika Bohn: Das ist richtig. Wenn man eine Fremdsprache in der Schule oder einer Sprachenschule lernt, lernt man natürlich die Standardsprache. Aber Muttersprachler sprechen eine ganz andere Sprache miteinander, nämlich Umgangssprache. Das führt dazu, dass selbst Deutschlernende auf einem hohen Niveau Verständnisschwierigkeiten haben, wenn sie mit einer Gruppe von Deutschen unterwegs sind.

Deshalb habe ich zwei Bücher zum Thema Umgangssprache geschrieben, „Bock auf echtes Deutsch?“ und „Jetzt sei doch kein Frosch!“ Der Fokus in diesen Büchern liegt auf Verben, Nomen und Adjektiven, die wir täglich in der Umgangssprache gebrauchen. Z. B. sagen wir oft „Ich blick’s nicht“, wenn wir etwas nicht verstehen. Oder wir finden etwas „total Banane“ und meinen damit, dass wir es schlecht oder blöd finden. Oder wir sagen, dass etwas „echt heftig“ ist, wenn wir es schlimm finden. Wir Muttersprachler merken es nicht, aber wir benutzen fast in jedem Satz einen umgangssprachlichen Ausdruck.

DL-Blog: Deine Bücher werden inzwischen in Sprachschulen benutzt, aber auch in Colleges und Universitäten.

Angelika Bohn: Das stimmt und das freut mich natürlich sehr. Ab und zu werde ich auch zu Zoom-Treffen mit Deutschklassen in amerikanischen und kanadischen Colleges und Universitäten eingeladen. Es macht mir sehr viel Freude, meine Leser:innen persönlich kennenzulernen.

Bei diesen Treffen entwickeln sich auch immer sehr interessante Gespräche. Es ist sehr inspirierend, wie die Studenten die Geschichten erleben und wie sie sie interpretieren. Und es freut mich, dass die Bücher ihnen dabei helfen, ihre Deutschkenntnisse zu verbessern. Diese Gespräche sind auch für mich immer sehr motivierend.

DL-Blog: Und woran arbeitest du im Moment? Wird es bald wieder ein neues Buch geben?

Angelika Bohn: Das wird es. Aber wie sagt man so schön auf Deutsch? Noch kann ich die Katze nicht aus dem Sack lassen.

DL-Blog: Na, da sind wir ja gespannt. ;) Dann danke ich dir erst mal für das interessante Interview.

Angelika Bohn: Gerne. :)

Übrigens: Meine persönlichen Favoriten von Angelika sind die beiden Bücher zum Thema Umgangssprache „Bock auf echtes Deutsch?“ (Werbung) und „Jetzt sei doch kein Frosch!“ (Werbung). Diese sind wirklich originell – zumindest kenne ich keine anderen Bücher, die sich auf diese Art mit diesem Thema beschäftigen. Und ihr erfahrt wirklich eine Menge über Deutsch, wie es wirklich im Alltag gesprochen wird. Ein echter Tipp!

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