Während ich im ersten Teil dieses Artikel auf den Wortschatz als Schlüssel zum Hörverstehen und auf die Probleme beim Verstehen gesprochener Alltagssprache eingegangen bin, möchte ich im zweiten Teil einige Probleme beim Hörverstehen in Deutschprüfungen eingehen.
Natürlich gibt es auch Leute, die sich nach ca. sechs Wochen Deutschkurs in eine Deutschprüfung mit C1-Niveau setzen und sich dann wundern, dass sie kein Wort verstehen.
Wenn ihr zu dieser Kategorie von Lernern gehört, solltet ihr erst mal Teil I dieses Artikels lesen und eure Wortschatzkenntnisse vertiefen. Ich möchte hier auf die Probleme bei Prüfungen zum Hörverstehen eingehen, die viele Lerner haben, obwohl sie alles oder fast alles verstehen können.
„Nicht die Wörter sind wichtig, sondern die Bedeutung“
Das wichtigste Problem vieler Deutschlerner ist, dass sie Hörverstehen mit „Wörterverstehen“ verwechseln. Das heißt, sie glauben, dass man jede Wort verstehen muss und konzentrieren sich deshalb viel zu sehr auf jedes einzelne Wort als auf die Gesamtbedeutung eines Satzes bzw. eines Textabschnitts.
Das ist aber genau das, was beim Hörverstehen gefragt ist. Kein Mensch kann verlangen, dass ihr in einem deutschen Text jedes einzelne Wort perfekt verstehen und dann womöglich auch noch mitschreiben könnt. Ihr sollt verstehen, was ein Satz bzw. ein Text inhaltlich ausdrückt, nicht welche Wörter der Text dafür benutzt.
„Das Prüfungsformat spielt keine Rolle“
Das gilt unabhängig vom Prüfungsformat. Beim Hörverstehen gibt es zwei grundsätzlich unterschiedliche Aufgabentypen: standardiserte und nicht standardisierte Aufgaben.
Nicht standardisert bedeutet, dass ihr selbst Antworten schreiben müsst, standardisert bedeutet, dass mehrere Antworten in irgendeiner Form vorgegeben sind und ihr die richtige Antwort auswählen müsst.
Bei nicht standardisierten Aufgaben, also wenn ihr selbst eine Antwort schreiben müsst, habt ihr immer das Problem, dass ihr euch die Formulierung, die ihr im Text gehört habt, nicht wörtlich merken bzw. notieren könnt, denn das würde zu lange dauern.
Bei standardisierten Aufgaben ist es normalerweise so, dass die richtige Auswahlantwort gar nicht wörtlich im Text vorkommt – das wäre natürlich zu leicht – sondern in irgendeiner synonymen Form, also mit anderen Worten, ausgedrückt wird.
Wenn ihr selbst Antworten notieren müsst, wie das z.B. häufig bei der DSH-Prüfung der Fall ist, dann bleibt euch nichts Anderes übrig als den originalen gehörten Inhalt irgendwie zu verkürzen, entweder dadurch dass ihr einzelne Wörter aus dem Text notiert oder das Gehörte mit einem eigenen Stichwort zusammenfasst. Wichtig ist dabei nur, dass ihr nachher aus euren Notizen den Inhalt – nicht den wörtlichen Satz(!) – rekonstruieren könnt.
Wenn ihr unter vorgegebenen Antworten auswählen müsst, müsst ihr sehr genau darauf achten, welche Antwort g e n a u dem Gehörten entspricht, denn die nicht zutreffenden Antworten benützen natürlich irgendwie auch Wörter und Inhalte aus dem Text, verdrehen diese aber so, dass die Antwort nicht mehr stimmt.
„Beim Wortschatz schließt sich der Kreis“
Vielleicht seht ihr selbst, dass sich hier der Kreis meines Textes schließt, denn unabhängig vom Aufgabentyp spielt hier der Wortschatz eine zentrale Rolle: Bei standardisierten Aufgaben müsst ihr mit verschiedenen Worten formulierte Sätze als identisch identifizieren und bei nicht standardisierten Aufgaben müsst ihr selbst Formulierungen suchen, die aus euren Notizen den Text möglichst genau rekonstruieren. In beiden Fällen hilft euch ein großer Wortschatz.
„Am Schluss noch ein Tipp“
Auch beim Hörverstehen gilt: Übung macht den Meister. Je öfter ihr übt, desto leichter fällt es euch die Aufgaben zu lösen. So oft wie möglich zu üben ist wichtig, um Routine im Prüfungsablauf (Verstehen des Themas, Fragen analysieren und verstehen, hören und mitschreiben, Notizen übertragen/ausformulieren, Endkontrolle) und in der Zeitkontrolle (Ihr habt immer zu wenig Zeit.) zu bekommen.
Am besten könnt ihr euch natürlich in einem entsprechenden Deutschkurs vorbereiten. Da die Deutschprüfungen und die darin vorkommenden Aufgaben aber sehr verschieden sind, ist es wichtig, dass ihr euch genau auf die Aufgaben vorbereitet, die in eurer Prüfung vorkommen.
Das bedeutet: Wenn ihr z. B. die DSH machen wolllt, dann solltet ihr einen DSH-Kurs besuchen und zwar möglichst an der Uni, an der ihr die DSH schreibt. Wenn ihr TestDaF machen wollt, solltet ihr einen TestDaF-Kurs besuchen.
Deutschkurse, die angeblich auf alle möglichen Prüfungen vorbereiten, würde ich sehr kritisch prüfen. Meist hat die Sprachschule nicht genug Kunden, um für jede Prüfung einen speziellen Kurs einzurichten.
Zu Teil I des Artikels: Probleme beim Hörverstehen – Teil I – „Warum kann ich nicht gut hören?“
Wenn ihr hier das Hören üben wollt, dann schaut mal diese Seiten an: